Broadcast yourself – sende (dich) selbst. Mit diesem Motto ist Youtube im Jahr 2005 gestartet und hat selbstproduzierte Videos im Internet populär gemacht. Express yourself – drück dich aus. Das meint YouNow, das seit 2011 die Möglichkeit bietet, (sich) selbst live zu streamen. Videos und Livestreams werden mit dem Begriff „Bewegtbild“ zusammengefasst, das im Internet als Streaming zu sehen ist – ob on demand, live oder mobile. Diese Themen stehen IM BLICKPUNKT, seitdem mobiles Livestreaming einen Hype im Internet verursacht hat.
Alle Formen des Streaming sind Konkurrenz für das konventionelle Fernsehen, das linear und mit einem festen Programm sendet und allmählich den Status als meistgenutztes Medium einbüßt. Bei der jungen Generation ist das schon passiert: Laut ARD/ZDF-Onlinestudie sehen 14- bis 29-Jährige im Durchschnitt noch 128 Minuten am Tag fern – das ist nur die Hälfte des gesamten Durchschnitts von 240 Minuten am Tag. Auf diesem Niveau ist bei der jungen Generation aktuell die Nutzung des Internet, das mit 233 Minuten am Tag zum Hauptmedium geworden ist. Und durchschnittlich werden 32 Minuten Bewegtbild gestreamt.
Streaming – was ist das?
Das englische Wort „Streaming“ bedeutet „Strömung“ – auch beim Streaming von Bewegtbild strömen die Daten. Über ein Netzwerk – das Internet – werden die Daten kontinuierlich empfangen und zugleich wiedergegeben. Auf dem Computer, Tablet oder Smartphone sind die Daten nur temporär gespeichert, so dass eine ständige Internetverbindung mit möglichst hoher Datenrate verfügbar sein sollte, weil ein Stream sonst nach wenigen Sekunden stockt oder abbricht. Denn im Gegensatz zum Download wird keine Kopie erstellt, die dauerhaft und lokal gespeichert ist. Deshalb entstehen beim Streaming keine Wartezeiten, um eine Datei komplett zu speichern und zu laden.
Bei Videostreaming kann eine veröffentlichte Datei immer wieder abgespielt werden, während beim (mobilen) Livestreaming die Daten teilweise nicht dauerhaft gespeichert werden und nur einmal in Echtzeit verfügbar sind.
Videostreaming
Youtube
Youtube wurde bereits 2006 von Google übernommen und ist das Videoportal mit dem größten Marktanteil in Deutschland: Hier schauen knapp 40 Prozent der Internetnutzer täglich Videos. Das meistgeklickte Video ist „Gangnam Style“ von Psy, das im Oktober 2014 mehr als zwei Milliarden Views erreichte und damit den Zähler im vorhandenen Format sprengte.
Mehr als drei Viertel der deutschen Internetnutzer schauen Videos per Stream, hat BITKOM in einer Umfrage ermittelt (Stand 2015). Und die Auswahl an Videostreams ist vielfältig: Am beliebtesten sind Videoportale wie Youtube und Vimeo, dort veröffentlichen die registrierten Mitglieder selbstproduzierte Videos, die alle Internetnutzer ansehen können. Die genannten Videoportale sind zugleich soziale Netzwerke mit typischen Elementen wie persönlichen Profilen und Abonnenten sowie Möglichkeiten zu kommentieren, zu bewerten und zu teilen.
Die Online-Mediatheken der Fernsehsender beinhalten ebenfalls Videostreams, angeboten werden Nachrichten, Serien und Shows, die man zeitversetzt zum festen Fernsehprogramm sehen kann. Zudem ist es möglich, das aktuelle Programm einzelner Sender auch live im Internet statt über ein Fernsehgerät zu empfangen. Fiktionale Formate wie Serien oder Spielfilme – speziell aus den USA und anderen Ländern – sind als Videostreams bei On-Demand-Portalen verfügbar. Dieser Service ist üblicherweise kostenpflichtig, zum Beispiel bei Netflix oder Watchever.
IM BLICKPUNKT
Ausführlicher zum Thema Web TV: IM BLICKPUNKT: Fernsehen mit dem Web.
Ein Vorteil des Videostreaming ist, dass Bewegtbild aus Video-Portalen, Mediatheken und On-Demand-Portalen immer zeitunabhängig und in beliebiger Reihenfolge konsumiert werden kann. Zudem ist es möglich, die Videos vor- und zurückzuspulen, zu pausieren oder mehrfach abzuspielen. Das sind Möglichkeiten, die das konventionelle Fernsehen nicht bietet.
Livestreaming
Eine besondere Form des Streaming ist das Livestreaming, wenn Bewegtbild in Echtzeit übertragen wird. Das können alle Internetnutzer umsetzen, weil keine zusätzliche Technik benötigt wird – ein Computer oder Tablet mit einer schon im Gerät integrierten Webcam ist ausreichend. So sind die Sender eines Livestream an einen Ort gebunden – etwa den Schreibtisch. Beim Livestreaming entfallen meist das Vor- und Zurückspulen sowie das Pausieren, weil die Daten nur temporär gespeichert sind und die Zuschauer dadurch auch den jeweils aktuellen Abschnitt des Livestream verpassen würden. Das Vorspulen ist ausgeschlossen, weil in Echtzeit übertragen wird, und Bewegtbild aus der Zukunft nun einmal nicht möglich sind.
Wer einen Livestream übertragen möchte, sollte bei einem Online-Dienst registriert sein, der Livestreaming als Option anbietet. Für Zuschauer ist das nicht erforderlich, denn Livestreams sind gewöhnlich öffentlich und können meist nicht auf ein bestimmtes Publikum – wie eigene Abonnenten oder Mitglieder des Portals – beschränkt werden. Somit sind Livestreams für alle Internetnutzer sichtbar, obwohl nicht immer dauerhaft verfügbar.
Auch Livestreaming-Dienste funktionieren wie soziale Netzwerke – mit persönlichen Profilen, Abonnenten und Optionen zum Kommentieren, Bewerten und Teilen. Für Livestreams sind seit Ende der 2000er Jahre verschiedene Online-Dienste entstanden – beispielsweise Bambuser, Google Hangout und YouNow. Weltweit am häufigsten genutzt und auch am umstrittensten ist wohl YouNow, das 2011 in den USA gegründet wurde und 2014 in Deutschland gestartet ist. Ursprünglich sollte es Künstlern – vor allem Musikern – ermöglichen, eigene Auftritte live im Internet ans Publikum zu übertragen.
YouNow
In deutscher Sprache hat YouNow die Nutzungsregeln veröffentlicht und gibt zusätzlich Tipps für Nutzer, um den Livestreaming-Dienst sicher zu machen. Und auch speziell an Eltern richtet sich YouNow mit entsprechenden Informationen.
Jedoch haben sich Jugendliche mittlerweile YouNow als Plattform erobert, um sich online – und mittels Livestreams – zu präsentieren. Denn YouNow ist aktuell ein soziales Netzwerk, in dem die junge Generation unter sich ist, weil kaum Erwachsene aktiv sind.
Für Jugendliche sind Livestreams via YouNow attraktiv, weil sie sich in dieser Lebensphase selbst ausprobieren, selbst darstellen und auch von der Eltern-Generation abgrenzen möchten. Bei YouNow wird meistens aus dem „Kinderzimmer“ übertragen und die Jugendlichen erhalten mittels der sozialen Netzwerk-Funktionen direkt und live Feedback. Die Kommentare zum Livestream ähneln – im Gegensatz zu Facebook – einem Chat, denn der Sender kann die Kommentare während des Livestream lesen und sofort reagieren. Ziel ist, Anerkennung zu erhalten, denn aufgrund der Live-Situation werden Kommentare und Bewertungen zu direkter Kommunikation und Feedback.
twitch
Ähnlich wie YouNow ist twitch ein Livestreaming-Dienst, der seit dem Start von einem speziellen Publikum genutzt wird und sich schließlich auf diese Zielgruppe spezialisiert hat: Videospieler. Mittels twitch übertragen die Spieler ihr Können live ins Internet und lassen sich von den Zuschauern „über die Schulter“ schauen. Der Dienst ist nach Spielen durchsuchbar und sendet auch sogenannten E-Sport, zum Beispiel Videospiel-Turniere. Monatlich sind etwa 100 Millionen Zuschauer bei twitch (Stand 2015), das im Jahr 2014 für knapp eine Milliarde Dollar an Amazon verkauft wurde.
YouNow wird von der Eltern-Generation sehr kritisch gesehen, denn die Live-Situation kann mühelos für persönliches Mobbing und sexuelle Belästigungen missbraucht werden – besonders, wenn Jugendliche zu freizügig mit persönlichen Daten und intimen Details umgehen und sich nicht unbedingt bewusst sind, dass die Livestreams öffentlich an ein anonymes Publikum übertragen werden. Was vor der Kamera gesagt oder getan wird, kann aufgrund der Live-Situation nicht mehr rückgängig gemacht werden. Zwar hat YouNow eindeutige Regeln für das Livestreaming, die sich allerdings nur schwer kontrollieren lassen, wenn tausende Livestreams zugleich übertragen werden. Schon das Mindestalter von 13 Jahren, um sich bei YouNow anzumelden, lässt sich kaum überprüfen.
Dass Jugendliche Video- oder Livestreaming nutzen, um sich bei Youtube und YouNow zu präsentieren, hat auch mit dem Wunsch zu tun, durch die eigene Performance zum Star zu werden. Videos und Livestreams im Internet sind eine ständige Talentshow ohne Casting, verbunden mit der Hoffnung, bekannt zu werden. Und tatsächlich erreichen einige Jungen und Mädchen, die vor der Kamera über sich erzählen, Videospiele spielen oder Kosmetik ausprobieren, Tausende von Zuschauern.
Mobiles Livestreaming
Zuletzt ist das Livestreaming mit mobilen Geräten – also Smartphones – populär geworden: Seit dem Frühjahr 2015 gibt es einen Hype um das mobile Livestreaming, als fast zeitgleich die Apps Meerkat und Periscope veröffentlicht wurden. Die Programme für Smartphones ermöglichen es, von überall und nur mit dem Smartphone Bewegtbild ins Internet zu übertragen. Somit ist mobiles Livestreaming unabhängig vom Ort und sehr flexibel, weil die Smartphone-Kamera bewegt und auf die Umgebung oder den Sender ausrichtet werden kann.
Mobiles Livestreaming ist nicht neu: Schon vor Jahren hat es einige Möglichkeiten gegeben, um von unterwegs zu senden. Seitdem haben sich die Bedingungen für mobiles Livestreaming sehr verbessert. Voraussetzung ist ein mobiles Gerät – und inzwischen haben fast 60 Prozent der Internetnutzer in Deutschland auch ein Smartphone, hat die ARD/ZDF-Onlinestudie 2014 ergeben. Um Bewegtbild vom Smartphone live zu übertragen, sind eine Kamera und eine stabile Internetverbindung notwendig. Allmählich bieten die mobilen Datenpakete genügend Datenvolumen zu günstigen Preisen, um sich das mobile Livestreaming über die Smartphone-Kamera leisten zu können, denn das Übertragen von Bewegtbild ist ein Datenfresser.
IM BLICKPUNKT
Ausführlicher zum Thema: IM BLICKPUNKT Hypes und Trends in der digitalen Welt.
Zudem machen es die Apps Meerkat und Periscope für Nutzer sehr einfach, mobil live zu streamen. Nach den grundlegenden Einstellungen reicht ein stichwortartiger Titel und ein Fingertipp auf den Startbutton, um einen eigenen Livestream ins Internet zu übertragen. Ob sich mobiles Livestreaming tatsächlich vom Hype zu einem echten Trend in Internet entwickeln wird, muss sich noch zeigen.
Damit ein Publikum mit dem mobilen Livestreams erreicht wird, funktionieren auch die Apps wie ein soziales Netzwerk und sind zusätzlich mit Twitter verknüpft, um über den Microblogging-Dienst neue Livestreams anzukündigen oder vorhandene Follower zu übernehmen. Diese Funktionen wurden für Meerkat gekappt, als etwas später auch Periscope für mobiles Livestreaming gestartet ist. Denn der Dienst gehört zu Twitter und nutzt diese Möglichkeiten stark, um sich als „Nachzügler“ gegen die Konkurrenz durchzusetzen.
Apps
Apps für mobiles Livestreaming:
Beme beme.com
Meerkat meerkatapp.co
Periscope www.periscope.tv
Mobile Livestreaming Apps im Überblick: mehrteilige Serie im Blog von Kreative Kommunikationskonzepte
Zum Teil funktionieren die Apps für das mobile Livestreaming nach dem Prinzip von Snapchat: In der App werden verschickte Fotos schon wenige Sekunden nach dem Öffnen wieder gelöscht. So sind mobile Livestreams für Zuschauer nur in Echtzeit oder bis zu 24 Stunden später im Internet zu sehen. Optional können die Sender eine Kopie auf dem eigenen Smartphone speichern.
Livestreaming
Die große Peepshow – Die Faszination von YouNow, Periscope und Co.: c’t Spezial zum Phänomen Livestreaming
Mit einem neuen Ansatz für das mobile Livestreaming möchte sich auch die App beme etablieren und zugleich das Problem lösen, dass Menschen beim Filmen immer auf den Bildschirm schauen (müssen) und das gefilmte Motiv gar nicht mit eigenen Augen sehen können. Deshalb muss man mit beme das Smartphone beispielsweise gegen die Brust oder einen Gegenstand drücken, damit ein kurzer Livestream ins Internet übertragen wird. Dazu wird der Näherungssensor des Geräts als Auslöser verwendet.
Durch diese Funktionsweise haben Nutzer keine Kontrolle über die Livestreams, denn ein Blick auf den Bildschirm ist nicht möglich und das Gefilmte wird direkt ins Internet übertragen – ohne die Möglichkeit, es zu überprüfen oder zu bearbeiten. Die Livestreams können alle Mitglieder von beme anklicken, aber nur einmal ansehen. So möchte beme vermeiden, dass sich Nutzer selbst inszenieren. Stattdessen sollen sie unverfälschtes Bewegtbild übertragen.
Was nutzt mobiles Livestreaming?
Kurzvideos
Ein Hybrid aus Videostreaming und mobilen Livestreaming sind die der sozialen Netzwerke Vine und Instagram, die maximal sechs bzw. 15 Sekunden lang sind. Diese Kurzvideos entstehen unter ähnlichen Bedingungen wie mobiles Livestreaming, denn sie können nur mit dem Smartphone gefilmt und kaum bearbeitet werden. Zwar werden die Kurzvideos nicht live ins Internet übertragen, aber üblicherweise kurze Zeit nach dem Filmen online veröffentlicht, um als endlose Wiederholung abgespielt zu werden.
Für welche privaten und kommerziellen Zwecke sich mobiles Livestreaming verwenden lässt, wird derzeit von den Nutzern – vor allem im Marketing und im Journalismus – ausprobiert und diskutiert.
Zunächst schaffen die Apps durch die Gestaltung des übertragenem Bewegtbilds auch eine neue Ästhetik, die noch gewöhnungsbedürftig ist. Denn bisher wurde Bewegtbild immer im Querformat produziert und konsumiert. Hingegen nutzen Meerkat und Periscope das Hochformat, das für Smartphones üblich ist, und ordnet alle Buttons, Kommentare und Bewertungen innerhalb der bildschirmfüllenden Livestreams an. Damit ist das mobile Livestreaming dem so genannten „vertical viewing“ auf dem Smartphone angepasst und nicht kompatibel zum Querformat, obwohl die Livestreams auch auf anderen Geräten angesehen werden können – mit dicken schwarzen Balken rechts und links. In den USA ist das „vertical viewing“ bereits auf 30 Prozent der Zeit gestiegen, die Menschen durchschnittlich vor dem Bildschirm verbringen – das entspricht fast drei Stunden pro Tag.
Und mit dem mobile Livestreaming ist eine weitere exklusive Funktion der klassischen Medien aus den Händen der Journalisten in die Hände aller Internet- bzw. Smartphone-Nutzer gelangt. Denn besondere Technik und geschulte Mitarbeiter sind für eine Live-Übertragung nicht mehr notwendig.
Seit sich soziale Netzwerke im Internet etabliert haben, ist auch die Trennung von Konsument – also Zuschauer, Hörer oder Leser – und Produzent – also Journalisten in den klassischen Medien – verschwunden. Der Fortschritt der Technik und die rasante Entwicklung der sozialen Netzwerke haben es möglich gemacht, dass jeder Texte, Audios und Videos und nun auch Livestreams im Internet veröffentlichen kann. Internetnutzer sind zu sogenannten „Prosumern“ geworden – sie können Inhalte einerseits konsumieren und andererseits produzieren.
Im Journalismus wird bereits experimentiert, welchen Nutzen mobiles Livestreaming bieten kann. Bei vielen neuen sozialen Netzwerken hat es einen besonderen Moment gegeben, um Aufmerksamkeit in der Medienbranche zu erregen: In Deutschland ist es für das mobile Livestreaming das Finale von „Germany’s Next Topmodel“ gewesen, das wegen einer Bombendrohung abgebrochen wurde. Ein „Bild“-Reporter nutzte Periscope, um die Geschehnisse am Veranstaltungsort live zu übertragen und zu kommentieren. Mit diesem Livestream erreichte er fast 3.000 Zuschauer.
Mittels Livestreams kann Journalismus in manchen Situationen authentischer und transparenter werden: Denn Journalisten können das mobile Livestreaming nutzen, um vor Ort von geplanten oder plötzlichen Ereignissen zu berichten. Auch Pressekonferenzen und Interviews lassen sich in gesamter Länge übertragen, so dass sich das Publikum ungefiltert informieren kann und nachträglich keine Aussagen verändert werden können. Einige Zeitungen und Fernsehsendungen haben mobiles Livestreaming schon dazu genutzt, die Redaktionskonferenzen öffentlich zu übertragen, um dem Publikum einen Eindruck von der journalistischen Arbeit und den Entscheidungsprozessen zu geben.
Periscope
Periscope als TV für Medien: Sieben Wege, den Livestreaming-Dienst zu nutzen: Meedia vom 10. Juni 2015.
Dass jeder mit seinem Smartphone live senden kann, hat verschiedene Konsequenzen: Wenn etwas passiert, das aus journalistischer Sicht relevant ist, ist es möglich, nach entsprechenden Livestreams von Menschen vor Ort zu recherchieren, wenn (noch) kein Journalist anwesend ist, um selbst zu berichten. Kritisch ist, dass sich Menschen ohne journalistische Ausbildung nicht unbedingt mit den allgemeinen Rechten und der speziellen Ethik der Medien auskennen, und Livestreams eher aus persönlicher Perspektive übertragen werden. Somit fehlt es an einordnenden Kommentaren zum Bewegtbild, und möglicherweise wird mehr gezeigt, als aus journalistischer Sicht vertretbar ist.
Hingegen sind Politik und Wirtschaft nicht mehr so sehr auf Berichterstattung in den klassischen Medien angewiesen, denn mit mobilen Livestreaming ergibt sich eine weitere Möglichkeit, direkt und ungefiltert ein eigenes Publikum zu erreichen. Zuschauer können Livestreams von Journalisten sowie von Politikern und von Unternehmen immer so lange verfolgen, wie Interesse besteht ist oder Bewegtbild übertragen wird.
So wird im Marketing nach kreativen Möglichkeiten gesucht, mobiles Livestreaming zu nutzen, zumal soziale Netzwerke sehr von visuellen Inhalten und Authentizität leben. Diese beiden Punkte erfüllt mobiles Livestreaming, so dass Unternehmen damit ihr „Gesicht zeigen“ können: durch exklusive Präsentationen von Produkten oder Dienstleistungen, direkten Support, Frage-und-Antwort-Formate mit Mitarbeitern, Backstage-Touren im Unternehmen oder Livestreams von Veranstaltungen und Vorträgen.
Der Tech-Blogger Sascha Pallenberg nutzt das mobile Livestreaming mit Periscope fast täglich, um Zuschauern – fast 7.000 Menschen haben die Livestreams abonniert – seine Wahlheimat Taiwan zu zeigen. Ein Interview zu Periscope mit Sascha Pallenberg.
Die Rechte beim Livestreaming
Besonders beim mobilen Livestreaming sind viele allgemeine Rechte zu beachten, weil es nicht mehr in einer „kontrollierten“ Situation und Umgebung am Schreibtisch stattfindet, sondern häufig in der Öffentlichkeit. Grundsätzlich zu beachten sind die Persönlichkeitsrechte, denn jeder Menschen hat das Recht am eigenen Bild und muss einer Veröffentlichung zustimmen, wenn keine Ausnahme zutrifft. Das bedeutet, Menschen, die eindeutig erkennbar sind, dürfen nicht ohne Einverständnis gefilmt werden. Und beim mobilen Livestreaming dürfte nicht es immer einfach sein, dieses Einverständnis zu erhalten.
Zusätzlich müssen Urheberrechte und Übertragungsrechte berücksichtigt werden: Wenn Musik in den Livestreams zu hören ist, kann die GEMA als Verwertungsgesellschaft finanzielle Ansprüche stellen. Auch Filme und Konzerte dürfen nicht vollständig live ins Internet übertragen werden. Das gilt auch für Ereignisse, für die sich kostenpflichtige Fernsehsender die Übertragungsrechte gesichert haben – beispielsweise Fußballspiele oder Boxkämpfe, die bereits Diskussionen um mobiles Livestreaming ausgelöst haben. Der erste Transparenzbericht von Twitter zeigt, dass es seit dem Periscope-Start fast 1.400 Löschanfragen für mobile Livestreams wegen Verletzung des Urheberrechts gegeben hat (Stand Mitte 2015).
Neue Möglichkeiten in der digitalen Welt wie das mobile Livestreaming haben immer auch ungeklärte rechtliche Aspekte. So stellt sich immer wieder die Frage, ob es sich bei mobilen Livestreaming um Rundfunk handelt, der eine Lizenz der Landesmedienanstalten erfordert. Dazu müssen mehr als 500 Menschen gleichzeitig erreicht werden können und die Livestreams journalistisch-redaktionell gestaltet sein.
Blick in die Zukunft
Obwohl noch nicht klar ist, ob sich mobiles Livestreaming als Trend im Internet etabliert, gibt es schon Szenarien für die Zukunft – für automatisiertes, mobiles Livestreaming. Wenn Kameras nicht mehr nur in Smartphones stecken, sondern als Wearable – also tragbare Technik – an oder in der Kleidung platziert sind, dann ist es möglich, einen regelmäßigen oder dauerhaften Livestream aus eigener Sicht zu produzieren. Dazu kommen neue Perspektiven, denn auch Drohnen, die Versandhandel und Lieferdienste demnächst verwenden wollen, können mit Kameras ausgestattet werden – und Livestreams aus der Vogelperspektive senden.
Die Erstellung dieses Beitrags wurde von der Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert.
Text: Christina Quast • Textredaktion: Annette Schneider
Bildredaktion: Georg Jorczyk • Redaktionsschluss: August 2015
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