Die Digitalisierung hat in den vergangenen Jahrzehnten vor allem dafür gesorgt, dass Kommunikation in allen Lebensbereichen orts- und zeitunabhängiger geworden ist. Dadurch hat sich auch die Art und Weise verändert, wie sich Menschen an politischen und gesellschaftlichen Prozessen beteiligen können. Statt nur bei der Wahl über Regierungspolitik zu urteilen, werden Bürger(innen) über Online-Konsultationen bereits an der Entwicklung politischer Entscheidungen beteiligt. Wer Mitbürger(innen) zu einer Demonstration aufrufen möchte, braucht keine Flugblätter mehr zu drucken, sondern teilt seinen Aufruf in sozialen Netzwerken. Zusätzlich zur Digitalisierung von klassischen Formen der Teilhabe am politischen und gesellschaftlichen Leben sind auch ganz neue Möglichkeiten der Beteiligung entstanden. So können zum Beispiel Wissen, Güter und Arbeitskraft über das Internet geteilt werden, um so – je nach Vorhaben – Ressourcen zu schonen und gemeinsam an gesellschaftlichen Projekten zu arbeiten. Bei all dieser Erleichterung von Kommunikationsprozessen durch die Digitalisierung setzen diese bei Bürger(inne)n aber auch Engagement und mediale Fertigkeiten voraus, die in der Gesellschaft nicht gleich verteilt sind. IM BLICKPUNKT Digitale Teilhabe gibt einen Überblick über die Entwicklung politischer und gesellschaftlicher Beteiligung durch digitale Medien, stellt anhand von Beispielen konkrete Formen der digitalen Teilhabe vor und beleuchtet diese kritisch. Links zu weiterführenden Informationen und Angeboten konkretisieren und vertiefen das Thema.
Beteiligt werden
Online-Konsultation
Im Februar und März 2015 lud die nordrhein-westfälische Landesregierung Bürger(innen) ein, unter www.wdrgesetz.nrw.de die Novellierung des WDR-Gesetzes zu diskutieren, auf Fragen zum Programmangebot, zur Werbung oder zur Kontrolle durch Rundfunk- und Verwaltungsrat zu antworten und eigene zusätzliche Vorschläge einzubringen. Die Online-Konsultation der NRW-Medienministerin war einen Monat lang zugänglich, mehr als 1.200 Kommentare und über 1.700 Bewertungen sind eingegangen. Diese wurden im Nachgang zur Konsultation ausgewertet und sollen in die Überlegungen zur Erarbeitung eines Gesetzentwurfs einfließen.
Wahlen, Volksabstimmungen und Petitionen sind klassische Formen zur Beteiligung von Bürger(inne)n an politischen Prozessen. An formale Vorgaben und Hürden gebunden ermöglichen sie nur punktuelle Teilhabe oder setzen ein hohes zeitliches Engagement voraus. Über digitale Medien lassen sich Beteiligungshürden senken und das Regierungshandeln für die Bürger(innen) öffnen. Unter dem Begriff „Open Government“ werden dabei verschiedene Beteiligungsformen zusammengefasst. E-Partizipation, die digital gestützte Beteiligung von Bürger(inne)n an politischen Prozessen, kann in zwei Richtungen funktionieren: vom Bürger zur Regierung, von der Regierung zum Bürger. Seit 2005 besteht die Möglichkeit, Petitionen online einzureichen und sie gültig digital mitzeichnen zu können (epetitionen.bundestag.de). Damit werden die Gesuche für potenzielle Unterstützer(innen) in ganz Deutschland leichter zugänglich. Mit über 130.000 digitalen Unterschriften trug zum Beispiel die Petition von Franziska Heine dazu bei, dass anstatt des 2009 geplanten Einsatzes von „Internet-Stoppschildern“ Seiten mit kinderpornografischem Material nicht einfach gesperrt, sondern gelöscht werden. Am Beteiligungsmodell der E-Petitionen wird allerdings kritisiert, dass nur wenige Petitionen, die den Petitionsausschuss online erreichen, auch veröffentlicht werden: 2012 lag der Anteil der veröffentlichten Petitionen bei nur fünf Prozent der Einreichungen. Während bei Petitionen Bürger(innen) mit ihren Anliegen an die Regierung herantreten, wird auch die umgekehrte Kommunikation digital erleichtert: Über Bürgerdialoge und Online-Konsultationen fragen Regierung und Verwaltung Bürger(innen) um Rat und nach ihrer Meinung zu bestimmten Themengebieten oder ganz konkreten Projekten. Meist findet diese Form der E-Partizipation über Online-Plattformen statt, auf denen Vorschläge eingebracht, bewertet und diskutiert werden können. Solche Formen der digitalen Beteiligung können sowohl länderübergreifend als auch kommunal stattfinden, die ganze Bevölkerung adressieren oder sich nur an bestimmte Gruppen von Betroffenen oder Experten richten. Dabei bleibt der Dialog nicht immer nur auf Online-Aktivitäten beschränkt; mit Veranstaltungen etwa wird die Diskussion intensiviert beziehungsweise auch nicht im Netz aktiven Personenkreisen die Beteiligung ermöglicht.
Coding da Vinci
Über das Projekt Coding Da Vinci der Open Knowledge Foundation wurden 325.000 Daten aus dem Kulturbereich in verschiedene Angebote für Bürger(innen) verwandelt. Coding da Vinci ist der erste deutsche „Hackathon“ zum Thema „Open Culture“. Das Wort Hackathon leitet sich aus „Hack“ und „Marathon“ ab und bezeichnet eine Veranstaltung, auf der die Teilnehmer(innen) gemeinschaftlich Software oder Hardware entwickeln. Coding da Vinci startete 2014 in Berlin und soll einmal jährlich sowohl Vertreter(innen) aus Einrichtungen des kulturellen Erbes als auch die Hacker- und Designer-Community zusammenbringen, um Ideen und Umsetzungen für den Kultursektor, aber auch für die Öffentlichkeit zu erarbeiten.
Bei Bürgerdialogen und Online-Konsultationen ist stets zu fragen, ob und wie die Eingaben der Bürger(innen) ihren Weg in eine konkrete Umsetzung finden. Wird nicht transparent, an welchen Stellen die Beteiligung etwas bewirken kann, riskieren Regierungen und Verwaltungen, das Vertrauen und die Motivation zur Beteiligung seitens der Bevölkerung zu mindern. Einen weiteren Beitrag zur Beteiligung der Bürger(innen) soll eine durch digitale Medien gesteigerte Transparenz politischer Entscheidungen leisten. Dies bedeutet einerseits, dass Interessierte den Entstehungsprozess von Gesetzen oder neuen politischen Leitlinien einfacher und lückenloser nachvollziehen können, weil er – soweit möglich – online dokumentiert ist. Ein Beispiel aus NRW ist das Bürgerinformationssystem der Stadt Moers, in dem Bürger(innen) nach Terminen von Rats- oder Ausschusssitzungen sowie stichwortbasiert nach Sitzungen, Dokumenten und Sitzungsvorlagen recherchieren können. Weitere Informationen bietet IM BLICKPUNKT E-Partizipation. Andererseits sollen Verwaltungsdaten entsprechend dem „Open Data“-Gedanken für die Öffentlichkeit zugänglich und nutzbar gemacht werden. Während es für einzelne Bürger(innen) schwierig ist, sich durch – oft sehr komplexe – statistische Datensätze zu arbeiten, können Entwickler(innen) sie für den Endverbraucher optisch aufbereiten, thematisch verknüpfen und somit verständlich machen. Viele Projekte stehen hier noch am Anfang. Nur wenn die Daten auch wirklich nutzbar gemacht werden können, tragen sie zur Transparenz von Regierung und Verwaltung bei. Weitere Informationen bietet IM BLICKPUNKT Open Content.
Sich beteiligen
Syrian Journey
Im Frühjahr 2015 hat die britische BBC ein interaktives textbasiertes Spiel veröffentlicht, in dem die Nutzer(innen) die Rolle syrischer Flüchtlinge einnehmen können. Sie müssen zu Beginn des Spiels ihr Haus in Damaskus verkaufen, um danach die Wahl zwischen mehreren, mehr oder weniger gleich zermürbenden Entscheidungen zu haben, wie sich ihre Flucht und die Suche nach Sicherheit gestalten soll. Nach Ägypten oder in die Türkei fliehen? Sich einem Schleuser anvertrauen? Flucht nach Europa über Wasser oder mit einem Flugzeug? Die meisten Entscheidungen enden in diesem Spiel tragisch. Das Spiel ist über den Nachrichtenbereich der BBC-Website zugänglich. Bezeichnet wird es als nachrichtenbasierte interaktive Erfahrung, um zu verdeutlichen, dass es sich nicht um ein Unterhaltungsspiel, sondern um einen ernsten Sachverhalt handelt, der veranschaulicht werden soll. Dieses Angebot versucht die Situation von Flüchtlingen für Menschen – etwa in Europa –, die diese Sorgen nicht selbst teilen, nachvollziehbarer zu machen.
Natürlich gibt es auch die Möglichkeit und Notwendigkeit, sich ohne Einladung von Regierung und Verwaltung an politischen und gesellschaftlichen Prozessen zu beteiligen oder sie selbst anzustoßen. Ein großer und wichtiger Teil der Kampagnenarbeit von Nichtregierungsorganisationen, Vereinen und lokalen Initiativen findet auch heute noch auf der Straße statt, zusätzlich haben aber viele von ihnen ein unterstützendes Online-Standbein entwickelt, das Information, Mobilisierung und Aktionen digital weit(er)verbreitet. Durch die Digitalisierung haben sich die medialen Möglichkeiten, auf die eigene Sache aufmerksam zu machen, vervielfältigt. Neben Texten und Bildern auf Webseiten können Webvideos kompakt und packend über ein Thema informieren. Mit Digitalkameras oder sogar Mobiltelefonen selbstproduziert und über Video-Plattformen wie YouTube oder Vimeo verbreitet, können sie schnell und kostengünstig veröffentlicht werden. Auch interaktive Angebote wie Computerspiele transportieren Themen und Botschaften auf völlig neue, weil spielerische oder emotional ansprechende Weise. Mit dem digitalen oder transmedialen Geschichtenerzählen kann ganz bewusst die Form der subjektiven Sicht auf ein Thema gewählt werden, nicht nur, um etwa komplexe Kontexte – beispielsweise Klimawandel – verständlich und nachvollziehbar zu machen, sondern auch, um (bedingt durch die glaubwürdige Haltung eines Einzelnen) damit einen überzeugenden Handlungsaufruf zu verbinden. Weitere Informationen bietet IM BLICKPUNKT Digital Storytelling. Kampagnen-Plattformen funktionieren als Katalysatoren für Aktionen, indem sie Informationen zu aktuell diskutierten Themen bündeln, Aktionsaufrufe in einem Netzwerk aus Engagierten digital verbreiten, Möglichkeiten zum Teilen in anderen sozialen Netzwerken bereitstellen und oft ein Angebot zur sofortigen Beteiligung machen. Ein solcher E-Aktivismus kann beispielsweise bedeuten, eine Petition zu unterzeichnen, Geld zu spenden oder selbst Informationen weiterzuverbreiten. Zu diesen Plattformen zählen etwa Change.org oder Campact.de.
Change
Change.org ist eine international genutzte Kampagnen-Plattform für Personen und Einrichtungen, die online aktiv sind und für ihre Anliegen werben wollen. Themen oder politische Ausrichtungen werden nicht vorgegeben. Auf möglichst einfache Weise soll einer großen Zahl an Personen die Möglichkeit gegeben werden, mit digitalen Mitteln zu einer gesellschaftlichen Veränderung beizutragen. „Jeder Mensch besitzt heute die Möglichkeit, eine eigene Kampagne zu starten, eine große Anzahl von Unterstützern zu mobilisieren und Regierungen und Unternehmen stärker in die Verantwortung zu nehmen“, heißt es hier bei change.org. Die Plattform verfügt nach eigenen Angaben aktuell über 95 Millionen Nutzer(innen) aus 196 Ländern.
In Deutschland ist die allgemeine öffentliche Aufmerksamkeit meist noch auf die Offline-Aktionen von Nichtregierungsorganisationen gerichtet; Kampagnenplattformen sehen sich häufig der Kritik ausgesetzt, mit einem schnellen Klick das Gefühl von Beteiligung auszulösen (das Stichwort hierzu heißt Clicktivism. Doch nicht alles endet mit der bloßen Unterzeichnung einer Petition: Die US-amerikanische Plattform Avaaz hat im Juni 2015 mithilfe ihres Unterstützernetzwerks Hilfspakete auf griechische Inseln liefern lassen, um dort Flüchtlinge zu versorgen. Vieles und viele lassen sich also über die Plattformen erreichen, dennoch besteht die Gefahr, dass das Netzinteresse schnell verpufft. Strategien, um Klicks auf „Like“- und Spenden-Buttons auch in langfristige Unterstützung zu verwandeln und die Online-Aktionen auch in Offline-Engagement zu übersetzen, sind für den nachhaltigen Erfolg von Online-Kampagnen notwendig. Mehr Informationen zu Möglichkeiten und Strategien für erfolgreiche Nachhaltigkeitskommunikation in Online-Medien bieten das Handbuch Medien und Nachhaltigkeit sowie die Themenspecials von NRW denkt nach(haltig).
Neben der Digitalisierung klassischer Kampagnenarbeit durch Nichtregierungsorganisationen sind aus dem Netz neue Arten von Aktionen und Protestbewegungen entstanden, die schnell und oft global auf politische und gesellschaftliche Entwicklungen reagieren. Unter dem Namen Anonymous agieren Zusammenschlüsse und Einzelpersonen, die unter anderem zivilen Ungehorsam durch das Hacken von Websites als öffentliches Protestmittel ausüben (Stichwort Hacktivism). Personen, die unter dem Pseudonym Anonymous in der Vergangenheit tätig waren, wandten sich unter anderem gegen Bestrebungen, das Urheberrecht zu verschärfen.
Campact
Die deutsche Plattform Campact wurde im Jahr 2004 gegründet und bündelt Aufrufe zu verschiedenen gesellschaftlichen Themen, die sich auf diesem Weg als Sammelprotest an politische Entscheidungsträger(innen) richten. 2015 sind mehr als 1,5 Millionen Menschen bei Campact registriert. Zu den Zielen der aus Spenden und Förderbeiträgen finanzierten Nichtregierungsorganisation zählen der ökologische Umbau der Gesellschaft, demokratische Teilhabe und Bürgerrechte, die Stärkung des Sozialstaats und das Herstellen von Steuergerechtigkeit, Gleichberechtigung statt Diskriminierung und Benachteiligung sowie internationale Gerechtigkeit und friedliche Konfliktlösung.
Solche Formen des Aktivismus zeichnen sich durch dezentrale Organisation aus, die zu großen Teilen online abläuft. Slogans, Bildsprache und die Art der Aktionen werden an anderen Orten übernommen: Aus Occupy Wallstreet wurden Protestcamps vor den Bankenvierteln unzähliger westlicher Großstädte. Während diese Bewegungen sich schnell verbreiten und große mediale Aufmerksamkeit genießen, können sie auch schnell wieder in die Bedeutungslosigkeit verschwinden, wenn hinter dem Protest keine langfristigen Ziele und konstruktiven Änderungsvorschläge stehen. Solche auszuhandeln, wird durch die dezentrale Organisation erschwert. Über das Internet auf ein neues Niveau gehoben wurde auch das Aufdecken geheimer Informationen und Enthüllen von Skandalen durch sogenannte Whistleblower. Auf der Enthüllungsplattform WikiLeaks werden Dokumente anonym veröffentlicht, von denen die Whistleblower annehmen, dass die Öffentlichkeit an ihnen Interesse haben könnte (oder müsste), die aber von staatlichen Stellen in der Regel als Verschlusssache behandelt oder zensiert werden. Dass WikiLeaks geheime Dokumente komplett und unbearbeitet online stellt, wird allerdings auch kritisiert, weil Persönlichkeitsrechte der in den Dokumenten genannten Personen missachtet werden und meist keine Aufarbeitung der Informationen für ihr Publikum stattfindet. Damit bleiben weite Teile der Informationen für breite Bevölkerungskreise dementsprechend vergleichsweise unverständlich. Im Fall des PRISM-Skandals arbeitete der Whistleblower Edward Snowden mit der britischen Zeitung The Guardian, also einem klassischen journalistischen Medium, zusammen, um seine Enthüllungen (aufbereitet) zu verbreiten.
Whistleblower
Mittlerweile stellen auch deutsche Medien Whistleblowern sichere Online-Briefkästen für geheime Informationen und Dokumente zur Verfügung, so etwa „Die Zeit„. Aber auch bei diesen Angeboten kann kein vollständiger Schutz von Informanten garantiert werden.
Ein anderer Weg, von klassischen Medien unbeachtete Informationen über das Netz in die Öffentlichkeit zu bringen, sind Formen von etwas, was man „Instant Publishing“ nennen könnte, Methoden, die ein sofortiges Veröffentlichen der eigenen Berichterstattung im Netz möglich machen. Über einen Twitter-Stream kann zum Beispiel mit Texten, Fotos und kleinen Videoclips live berichtet werden. Die mit Twitter verbundene App „Periscope“ ermöglicht gar das Empfangen und Senden von Video-Live-Streams über das Smartphone. In diesem Kontext wird bereits von neuen Formen des (Bürger-)Journalismus gesprochen, da einstmals den etablierten Medien vorbehaltene Techniken und Dienste auch Individuen zur Verbreitung von Informationen und Anliegen bereitstehen.
Digital(es) Teilen
Crowdfunding
Das Prinzip des Crowdfunding nutzt beispielsweise ecocrowd, die Crowdfunding-Plattform der Deutschen Umweltstiftung. Diese stellt Projekte und Start-ups vor, die sich (noch) nicht selbst tragen können oder eine Anfangsfinanzierung brauchen, und ruft dazu auf, diese mit kleineren oder größeren Summen zu unterstützen.
Über das Internet lassen sich nicht nur Informationen teilen, sondern auch materielle und immaterielle Güter. Diese Formen des „Sharing“ können ebenfalls für soziale Zwecke genutzt werden. Eine Form des Online-Aktivismus ist das digitale Spendensammeln. Wer nicht Geld für Dritte, sondern für seine eigene Sache sammeln möchte, kann sich an die „Crowd“, die Gemeinschaft der Internetnutzer, wenden und diese per Crowdfunding um finanzielle Unterstützung bitten. Beim Crowdsourcing beteiligen sich Internetnutzer nicht mit Geld, sondern mit ihrer Arbeitskraft an einem Projekt, indem sie beispielsweise Übersetzungen oder Verschlagwortung von Texten übernehmen. Viele Menschen leisten so einen kleinen Beitrag zu einem großen Ganzen. Mehr Informationen bietet IM BLICKPUNKT Crowdsourcing.
Foodsharing
Die „Befreiung“ von Nahrungsmitteln zum Zweck ihrer Verteilung steht im Mittelpunkt der Foodsharing-Bewegung. Die „Lebensmittelretter“ vernetzen sich online, um Obst, Gemüse und Co., das kurz vor dem Verfallsdatum steht, sowohl untereinander als auch unter Bedürftigen weiterzuverteilen. Auf der Seite von Foodsharing.de kann man den Standort von „Essenskörben“ abrufen, um dort Lebensmittel abzugeben beziehungsweise zu beziehen.
Aus der Open-Source-Bewegung in der Software-Entwicklung ist die Forderung nach Freiheit digitaler Güter wie Musik oder auch Bildungsmaterialien entstanden. Letztere, sogenannte „Open Educational Resources“ (OER), stehen im Internet nicht nur frei zur Verfügung. Sie können und sollen auch von ihren Nutzer(inne)n weiterbearbeitet und verbreitet werden. Dahinter steht der Gedanke, dass man gemeinsam weiter kommt, als wenn jeder bei Null anfangen muss. Grundlage der „Teilungsfähigkeit“ intellektueller Güter sind Lizenzmodelle wie die Creative-Commons-Lizenzen, die Bedingungen für das Weiterbearbeiten und -verteilen von Texten, Bildern, Filmen und anderem festsetzen. Ziel ist es, sie so frei (und zugänglich) wie möglich zu machen. Mehr Informationen bietet IM BLICKPUNKT Open Content. Im Bereich des digital ermöglichten Teilens sind noch viele weitere Modelle entstanden, über die Autos, Wohnungen, Spielzeug etc. geteilt werden können. Aus dem Sharing-Gedanken, der das Wohl aller Beteiligten im Blick hat, hat sich aber auch die sogenannte Sharing-Economy entwickelt, die aus dem Tauschen und Teilen von Waren und Dienstleistungen ein Geschäftsmodell gemacht hat. Dabei werden nicht selten Regelungen zu Arbeitsschutz oder Steuern umgangen. Solche Entwicklungen sind unvermeidbar, obwohl sie natürlich dem Gedanken der digitalen Teilhabe nicht mehr entsprechen. Mehr Informationen bietet IM BLICKPUNKT Kulturen des Teilens.
Unbeteiligt bleiben
Ältere Menschen
Das Netzwerk Engagement älterer Menschen in der digitalen Gesellschaft, ein Teilprojekt des Forums Seniorenarbeit NRW, unterstützt Senior(inn)en durch Workshops dabei, Zeitzeugenprojekte, Nachbarschaftsinitiativen oder andere Formen des gesellschaftlichen Engagements ins Netz zu bringen, und bietet ihnen online und offline Raum zur Vernetzung.
Die Digitalisierung hat auf vielfältige Weise die Schwellen zur Beteiligung an politischen Entscheidungen und gesellschaftlichen Prozessen gesenkt. Dabei hat sie aber auch neue Hürden aufgebaut, denn ein Internetzugang, technische Fähigkeiten und Medienkompetenz sind die Zugangsvoraussetzungen für die Teilhabe in der digitalen Gesellschaft geworden. Auch wenn die Nutzerzahlen des Internets immer weiter steigen, sind bestimmte Gruppen wie Ältere, Menschen mit Behinderungen, mit niedrigem Bildungsgrad oder mit geringen finanziellen Ressourcen in der Digitalisierung der gesellschaftlichen Teilhabe benachteiligt. Um diese Nachteile zu verringern, bieten zahlreiche Projekte Unterstützung an. Ebenso besteht die Gefahr, dass eine digitale Elite die Themen bestimmt, die die digitale Beteiligung prägen. Beim Blick auf die erfolgreichen E-Petitionen fällt eine Dominanz von Netz- und Medienthemen auf. Für Randgruppen und Themen ohne starke Medienpräsenz kann es auf diesen Plattformen schwer werden, digitale Relevanz zu erzeugen. Zudem gibt es bei aller Offenheit und Pluralität im Netz auch dort Fälle, in denen Argumente und Menschen mundtot gemacht werden.
Hate Speech
Für einen souveränen Umgang mit Hate Speech im Internet setzt sich etwa das europäische Projekt BRICkS ein. Mit Hilfe von Social-Media-Experten und Medienpädagog(inn)en werden im Projekt Instrumente entwickelt, die insbesondere jungen Menschen, die im Netz aktiv sind, im Umgang mit Hate-Speech helfen können.
Klagen über einen zunehmend harschen Stil in Online-Diskussionen nehmen zu; der Begriff „Hate Speech“ bezeichnet Reaktionen auf ganz unterschiedliche Formen von Veröffentlichung (Artikel, Tweets, Facebook-Posts und anderes mehr), die in nicht wenigen Fällen die Grenzen zu Beleidigung und Bedrohung der Verfasser beziehungsweise anderer Kommentatoren überschreiten. Bei all den Chancen zur digitalen Teilhabe müssen also auch Möglichkeiten bestehen bleiben, um in Politik und Gesellschaft auch offline und ohne große digitale Lobby Gehör zu finden.
Die Erstellung dieses Beitrags wurde von der Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert.
Text: Cathrin Bengesser • Textredaktion: Annette Schneider
Bildredaktion: Georg Jorczyk • Redaktionsschluss: August 2015
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